Die wohl wichtigsten 4 Millimeter des Bades

Veröffentlicht in: Überlaufrinne 0

veröffentlicht in: Das Schwimmbad und sein Personal, Heft 03/2015

Wissenswertes zur Überlaufrinne …

Wenn es um den Neubau oder die Sanierung eines Schwimmbades geht, dann sind sich alle Fachleute einig: Die ±2 Millimeter an der Überlaufrinne müssen eingehalten werden!

Aber stimmen die Beteiligten sich ausreichend ab? Nach meiner Erfahrung wissen in der Regel nicht alle Planer, welche Auswirkungen diese Forderung auf ihre Arbeit hat. DIN 19643 beschreibt die Forderung sehr genau: „Der gleichmäßige und kontinuierliche Wasserüberlauf muss auf der gesamten Länge der Überlaufrinne sichergestellt sein. Die Überlaufkante muss um das gesamte Becken geführt werden. Sie muss auf ihrer Gesamtlänge waagerecht liegen (Abweichungen nicht mehr als ±2 mm).“ Warum ist das eigentlich notwendig?

Rinne mit Keramik, Foto: aqua&pools

Der Anteil der Verschmutzungen, welcher sich an oder auf der Wasseroberfläche befindet, ist überproportional groß. Ein Becken mit Überlaufrinne soll die Oberflächenspannung des Wassers aufrechterhalten und diese Verschmutzungen am effektivsten zur Aufbereitungsanlage transportieren. Nach meiner Meinung kann man die Aufgaben einer Überlaufrinne also in 3 Teilen zusammenfassen:

  1. Funktion als Streichwehr rund um das Becken,
  2. Transport des Wassers in der Überlaufrinne in Richtung eines Rinnenablaufes und
  3. Einspeisen des Wassers in das anschließende Rohrleitungs-System.

Genauigkeit der Überlaufkante

Die Überlauf-Kante muss also so millimetergenau sein damit der Volumenstrom (Q) ausreicht, um am gesamten Umfang (B) einen kleinen Höhenunterschied (h) zwischen dem Wasserspiegel und der Kante zu erzeugen. Zur Kontrolle kann man den Volumenstrom berechnen, der besagte ±2 = 4 Millimeter = 0,004 Meter auf einer Länge von1 Meter Rinne überwinden kann. Dies geht mit der Formel von Poleni wie folgt:

 

PBT 01 Bild 02

Im oberen Bild ist dies dargestellt, die stilisierte Rinne ist transparent und hat eigene Reflektionen. Nun ist die Überlaufkante ja in der Regel abgerundet, so dass das Wasser ruhig fließen kann. Deshalb kommt auch noch der „Überfallbeiwert“ (µ) ins Spiel. In unserem Fall ist µ ≅ 0,65.

PBT 01 Formel 02

PBT 01 Bild 03

Höhe h an der Überlaufkante

Damit die Toleranz von ±2mm wirksam ist, muss der Volumenstrom in m³/h also größer als 1,75xUmfang des Beckens in Metern sein. Ein Schelm, wer hier an die Sachaufgaben aus der 9. Klasse denkt! Aber es hilft nichts, wir müssen noch tiefer in die Mathematik.

 

 

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Kaprun, 1-seitiger Wasserschleier auf Naturstein, 3-seitig überdeckte Rinne, Foto: aqua&pools

Herausforderungen bei der Planung

Die Herausforderung bei der Umsetzung ist: Je weiter entfernt sich ein Gewerk von dieser Regel fühlt, je größer sind die Probleme, die sich ergeben können. Am klassischen Keramik-Becken ist der Fliesenleger für die Genauigkeit zuständig, er ist in der Regel durch strenge Vorgaben vertraglich verankert. Weiß der Betonbauer, was der Fliesenleger braucht? Weiß der Tragwerksplaner, was der Betonbauer braucht? Weiß der Statiker, was der Tragwerksplaner braucht? Weiß der Baugrund-Gutachter, was der Statiker braucht? Weiß der Gartenbauer, dass er gefühlvoll mit dem Verdichter umgehen muss? Es hört sich wie „Stille Post“ an, und ist es in der Praxis leider allzu oft. Regelmäßig ist ein Loch in dieser Kette und wenn Wasser in das neue Becken gefüllt wird, verändern sich die Maße „total überraschend“. Natürlich kann auch der Schwimm-Meister diese Fragen stellen. Das ist sicherlich effektiver, als auf ein gutes Ende zu hoffen.

Es sind Kleinigkeiten, die ein solches Rätselraten abkürzen können. Verändert sich das vorhandene Becken wenn Wasser eingefüllt wird? Das Personal vor Ort kann diese Antwort auch ohne Frage geben. Wenn eine solche Veränderung vermutet wird, dann sollte dies mit einem Nivelliergerät (Auf dessen Genauigkeit achten!) bei der nächsten Gelegenheit nachgemessen und protokolliert werden.

Die Fachleute vom Bau sind dann in der Lage, die richtigen Gegenmaßnahmen zu finden. Erfahrene Unternehmen wissen um diese kausale Kette und sichern sich beim Bau der Becken mit Referenzmessungen, aber oft auch „im Kleingedruckten“ ab.

Was aber, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist? Dann kommt es auf den Bautenstand und das gewählte System an. In der Regel ist eine Probefüllung zur Kontrolle der Dichtheit erforderlich, die man zur Vermessung der Bewegungen nutzen kann. Anhand dieser Messungen kann man das leere Becken mit einem „Buckel“ fertigstellen und so am gefüllten Becken maßlich wieder in den notwendigen Toleranzen liegen.

Gute Erfahrungen habe ich gemacht, wenn, um mögliche Störungen zu minimieren, die Justierung der Überlaufkante an das Ende der Bautätigkeit gelegt

werden kann. Es gibt leider auch Systeme, da ist eine Korrektur nur mit hohem Bau-Aufwand möglich.

Wissenswertes zur Überlaufrinne - Teil 1

Neuruppin, Überhöhung der Rinne auf der Außenseite im Bereich der Luftsprudelbank, Foto: aqua&pools

Fast philosophische Betrachtungen

In den Reihen der Schwimmbad-Planer gibt es aus meiner Erfahrung keine Einigkeit, welche Philosophie bei der Planung der Rinne verfolgt werden soll: Die „Große Rinne mit wenigen Abläufen!“ oder die „Kleine Rinne mit vielen Abläufen“. Vermutlich stehen hier die wirtschaftlichen Betrachtungen der Systemanbieter im Vordergrund. Vergleiche zwischen Kosten der Rinne und Kosten des Rinnenablaufes wollen wir hier nicht anstellen, schließlich ist in der Regel ein Fachplaner mit der Koordination der Gewerke betraut. Trotzdem möchte ich einige Folgen der Auswahl in den Raum stellen:

Rinnentiefe Abstand der Rinnenabläufe
Rinnentiefe Fallhöhe des Wasser, Ausgasungen, Temperaturverluste
Rinnentiefe Raumbedarf

Einige Leser werden hier die Betrachtungen zur Geräuschbildung an den Abläufen vermissen. Da diese nach meiner Meinung im direkten Zusammenhang mit der Verrohrung des Schwallwassers stehen, möchte ich dieses Thema gemeinsam zur Schwallwasser-Verrohrung betrachten.

Hier nur: Wasser der Rinne muss zum Rinnenablauf! Die Rinne muss so groß sein, dass sie nicht überläuft.


Teile dieser Reihe „Wissenswertes zur Schwimmbadtechnik“

  • Überlaufrinne,
  • Schwallwasserverrohrung,
  • Schwallwasserbehälter,
  • Filterpumpen,
  • Filter,
  • Messung und Regelung der Wasserparameter
  • UV-Desinfektion,
  • Reinwassersystem und Beckenverrohrung,


Bevor wir uns mit diesem Thema beschäftigen, noch eine Erfahrung aus der „Praxis der Vereinfachung“. Wenn man ganz sicher gehen will, dass die Rinne nicht überläuft, dann wählt man einfach eine Bauform, bei der die Überlaufkante einige Millimeter niedriger als der Anschluss zum Beckenumgang liegt. (siehe Foto Neuruppin) Manchmal kann es so einfach sein! Der Leser möge bitte meine Wortwahl beachten, denn wenn die Summe der Rinnenabläufe zu klein ist, dann hilft auch dieser Trick nicht.

Betrachtet man eine gerade Überlaufrinne, so sieht man wie sich in der Mitte zwischen zwei Abläufen ein Wasserberg bildet, der Freibord ist dort am geringsten. Nun fügen wir an diesem Scheitelpunkt gedanklich einen Trenn-Steg ein und am anderen Ende, dort wo der Rinnenablauf sitzen sollte, schneiden wir die Rinne gedanklich ab und lassen das Ende offen. Schließlich wissen wir ja (noch) nicht, welcher Rinnenablauf dort angesetzt werden soll. Der Einfachheit halber rechnen wir mit den Werten eines 25×10-Meter-Schwimmerbeckens. Die Umwälzleistung sei 110m³/h und der Umfang = Rinnenlänge 70m. Unser betrachteter Abschnitt (LRinne)soll 7 Meter lang sein, der Rinnenboden (B) 0,2m breit.

PBT 01 Formel 03

Unsere vom Anfang des Artikels bekannte Formel nach Poleni stellen wir nach h um. Für µ müssen wir, da es zumindest jetzt ein offenes Ende ist, vorerst von einem dimensionslosen Wert 0,64 ausgehen.

PBT 01 Formel 04

PBT 01 Bild 06

Beschriftung der Größen am Rinnenschnitt

In DIN 19643 werden Hinweise zu Aufschlägen gegeben. Zitat Abschnitt 9.4: „Die Überlaufrinne darf zusätzlich auch dem Transport und der Speicherung dienen. … In der Praxis hat sich ein Zuschlag von 50 % auf den errechneten Querschnitt zum Ausgleich der Störeinflüsse bewährt. Außerdem ist der Stauraum zu berücksichtigen (siehe auch DGfdB R 65.06).“

Leider findet man hier keine weitergehenden Hinweise auf die Berechnung. In meiner Praxis hat sich bei Innen‑Becken keine Notwendigkeit für einen Aufschlag von 50% ergeben. Hohe Belastungen, die durch

plötzliche Ereignisse, wie das Springen einer Gruppe, eintreten, werden in der Regel von der Überlaufrinne zeitlich verzögert und ausreichend gepuffert. Anders verhält es sich bei Wind-Einfluss, was am Außenbecken ja durchaus häufig vorkommt. Hier reichte ein 50%iger Aufschlag zum Volumenstrom meist nicht aus. Schließlich ist gleichmäßiger Wind in der Lage, den Überlauf in eine Richtung zu verschieben und den gesamten Volumenstrom auf die halbe Länge der Rinne umzuleiten. Hier halte ich einen Aufschlag von 100% auf den Volumenstrom für ratsam. Aber Achtung, daraus entstehen nicht 100% mehr Rinnentiefe! Wir werden dies später nachrechnen.

Eine Rinne, die zu tief ist, vergeudet Energie und führt zu Ausgasungen!

Aus meiner Sicht entstehend die meisten Fehler in der Nähe von Luftattraktionen, wie Unterwasserliegen. Die Luft, die hier von einem Verdichter eingepresst wird, verdrängt das Wasser 1:1 in die direkt benachbarte Rinne. Die Verdrängungswerte kann man sich aus der Leistung des Verdichters ablesen, aber Achtung: Die Verdrängung erfolgt innerhalb weniger Sekunden! Dieser Volumenstrom muss in [m³/h] umgerechnet werden.

PBT 01 Formel 05

Es entsteht also eine Berechnung, die für bestimmte Rinnenabschnitte unterschiedlich ist.

Am offenen Ende der Rinne wird der Wasserspiegel unter den Bedingungen also 39mm über dem Beckenboden stehen. Mit der Berechnung, wie das Wasser in einer Rinne fließt, haben sich schon viele Gelehrte den Kopf zerbrochen. Wir wollen hier nicht darauf eingehen, was „strömendes“ von „schießendem“ Wasser unterscheidet. Wir sollten der DIN 19643 folgen und dort steht, dass man sich an einer Formel der Herren Manning, Gauckler und Strickler orientieren solle (DIN 19643, Punkt 9.4, Gleichung 12 und 13):

PBT 01 Formel 06

Dabei ist n Fließgeschwindigkeit [m/s], ks Rauhigkeits­beiwert [1/s], R hydraulischer Radius [m], A durchströmter Querschnitt [m²], U benetzter Umfang [m], I Gefälle des Wasserspiegels (tan a). Ich erlaube mir die kleine Korrektur, die korrekte Einheit für den ks-Wert ist

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Wir kennen den Wasserstand auf der flachen Seite am Rinnenablauf, aber wir wollen den Wasserstand am höchsten Punkt wissen. Dazwischen liegt das Gefälle, also stellen wir die Formel danach um:

PBT 01 Formel 08

Die einzelnen Faktoren lassen sich relativ einfach aus den vorhandenen Werten berechnen.

Wir wissen, der Rinnenboden (B) ist nach unserer Anfangsvorlage 0,2m breit. Der Wasserstand (h) hat 0,039m. Damit ist:

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Dem aufmerksamen Leser wird selbstverständlich aufgefallen sein, dass der Winkel, mit dem die Überlaufrinnenwand auf Ihrer Beckenseite einen freien Wasserüberfall verhindern soll, in dieser Formel fehlt. Wer trotz der äußerst geringen Veränderungen den Winkel berücksichtigen möchte, sollte diese Formel benutzen:

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Der Rauhigkeitsbeiwert ks ist von der Oberfläche der Rinne abhängig. In der Literatur findet man Angaben für Blech-Rinnen und für glatten Beton in der Größenordnung um

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Rinne mit linearem Wasserspiegel

Wir gehen davon aus, dass unser Kanal glatt ist und regelmäßig gereinigt wird. Die Geschwindigkeit des Wassers kennen wir auch, denn was die Überlaufkante nach innen überströmt, das muss als Summe auch am offenen Ende ankommen.

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Damit können wir jetzt das Gefälle bestimmen, welches der Wasserspiegel theoretisch annimmt:

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Aus der Höhe (h), dem Gefälle des Wassersspiegels (I) und der Länge der Rinne findet man (meine Interpretation der DIN 19643) die Wasserhöhe am anderen Ende der gedachten Rinne:

PBT 01 Formel 14

Glückwunsch an alle, die bis zu dieser Zeile gekommen sind! Aber: Hier geht es erst richtig los.

Näher an der Praxis gerechnet

Obwohl die Rechnung schon sehr kompliziert aussieht, kann man Abweichungen zur Realität erkennen.

Laut dieser Theorie ist der Wasserspiegel eine Ebene, in Wirklichkeit beschreibt er eine Parabel. Die eingesetzte Formel von Manning, Gauckler und Strickler beschreibt ein offenes Gewässer, an dessen Anfang und Ende gleiche Wasserströme eintreten. In unserem Fall tritt das Wasser aber verteilt auf die Länge der Rinne ein. Das bedeutet, dass am Anfang der Rinne nichts horizontal in der Rinne fließt (denn dort ist ja unsere gedachte Trennwand).

Wir könnten jetzt in die Tiefen der Mathematik einsteigen, bleiben aber lieber in einem anschaulichen Bereich. Am Ende wird uns eine Tabellenkalkulation sicherlich die Rechnerei etwas vereinfachen.

Unsere Rinne teilen wir jetzt gedanklich in 100 einzelne gleich große Stücke und berechnen den Anfang jedes Stück separat, jeweils mit dem gleichem Rechengang. Den Anfang des nullten Stückes haben wir bereits berechnet, es ist unsere Stelle des Rinnenablaufes. Wir kennen den Wasserstand und das Gefälle – BIS ZUM NÄCHSTEN Stück – in 1/100 Entfernung. Dort ist die Höhe des Wasserstandes ein klein wenig (um I*L/100) höher und der horizontale Volumenstrom nur 99% groß. Fläche und hydraulischer Radius verändern sich, also auch die Ergebnisse. Das Gefälle wird abschnittsweise immer geringer, die Gesamthöhe nimmt immer weniger zu. Mit diesen Werten rechnen wir abschnittsweise, bis wir am Ende der Rinne angekommen sind.

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Rinne mit Wasserspiegel in differenzieller Berechnung

Nein, keiner muss dies einhundertmal per Hand durchrechnen. Die Funktion, und auch die vorher beschriebenen Formeln mit Berücksichtigung der schrägen Wand, kann man sich in Excel selbst anlegen.

Eine Email an Dirk.Sura@aquaandpools.de  reicht auch. In der Antwort kann man eine kleine Beispielberechnung und ein Diagramm zur Kurve finden. Hinweise und Vorschläge zu dieser Thematik sind sehr willkommen! Im nächsten Beitrag reden wir über Rinnenabläufe und die Verrohrung bis zum Behälter. Vielen Dank für das Interesse! ♦

PBT 01 Bild 09

 

 

Anfrage


    Es freut mich, wenn Dich der Text interessiert hat. Natürlich ist das Thema nicht allumfassend behandelt und es entstehen immer neue Fragen und Gesichtspunkte. Ich bitte deshalb um Verständnis, dass ich nicht allen Fragen telefonisch oder per Email beantworten kann.

    Für alle, die sich professionell tiefer einarbeiten möchten, biete ich Tages-Schulungen zum Thema "Auslegung der Überlaufrinne im öffentlichen Schwimmbad" an. Natürlich kann das Ingenieurbüro aqua&pools oder ein Partner darüber hinaus die Planung und Berechnung der Wasseraufbereitungsanlage des gesamten Schwimmbades übernehmen.
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