veröffentlicht in: Das Schwimmbad und sein Personal, Heft 02/2019
… und den vielen Köchen am Brei der Beckenhydraulik.
*Zitat Wikipedia: „Beim Tichelmann-System werden die Rohre vom Wärme-Erzeuger zum Wärmeverbraucher und zurück in Ring-Verlegung so geführt, dass die Summe der Längen von Vorlauf-Leitung und Rücklaufleitung bei jedem Heizkörper etwa gleich ist. (…) Der Sinn dabei ist, dass alle Heizkörper etwa gleichen Druckverlusten ausgesetzt sind und sich damit gleiche Volumenströme (…) einstellen, auch wenn keine Regelventile verwendet werden.“ Wir kommen später darauf zurück.
Am Ende ist die Beckenhydraulik der Maßstab, ob die Planung eines Beckens Erfolg hatte. Aber wer darf sich mit dem Erfolg schmücken oder muss bei Misserfolg die Verantwortung tragen? Was ist „Misserfolg“ bei der Becken-Planung? Wo ist das Kriterium zu finden? Mit diesen Fragen wollen wir uns in diesem Beitrag beschäftigen.
Jeder von uns hat den Brei „Beckenhydraulik“ vor der Nase, aber vielen von uns schmeckt der Brei nicht, obwohl er ganz frisch gekocht wurde und alle Zutaten den Vorschriften entsprachen. Irgendwas ist schief gelaufen bei den vielen Köchen, die im Topf gerührt haben.
Definition und Zielstellung
Wenn wir hier als Beckenhydraulik die Bewegung des Wassers in einem Schwimm- oder Badebecken betrachten, dann hat diese Bewegung zwei Aufgaben. Die Bewegung soll Verschmutzungen des Wassers zur Überlaufrinne transportieren und gleichzeitig das Desinfektionsmittel im gesamten Wasser-Volumen verteilen.
Für den Abtransport von Verschmutzungen gibt es vermutlich keinen direkten anerkannten Test. Selbstverständlich kann man Verschmutzungen simulieren, zum Beispiel schwimmende Holzspäne bei ihrer Wanderung zur Überlaufrinne begleiten. Aber wenn die Holzspäne wandern, ist entweder die Beckenhydraulik oder die Luftgeschwindigkeit über dem Wasser verantwortlich.
Foto 1: Haarfang-Test am Bodenablauf, aqua&pools
Wie üblich, wenn es kein Kriterium gibt, nimmt man die Erfahrung zu Hilfe. Wir haben gelernt, der Schmutz am Beckenboden lässt sich nur mit einem mobilen Sauger entfernen. Eine feste Ansaugung am Beckenboden hilft nicht.
Foto 2: Wand-Ansaugungen, aqua&pools
Auch in der Beckenwand verbaute Ansaugungen machen mehr Ärger als Nutzen. Die Risiken, denen unsere Gäste durch die Öffnungen ausgesetzt wären, werden durch die Todesfälle leider in vielen südlichen Pools bestätigt. Die nächste gute Idee war die des Skimmers, manchmal Oberfläche-Absauger genannt.
Foto 3: Wand-Skimmer, fotolia.de
Durch seine Funktion wird immer die obere Schicht des Wassers erfasst. Abgesehen von der Breite des Skimmers selbst bleibt der Wasserspiegel trotzdem von der Beckenwand eingegrenzt. Kommen Strömung oder Wind nicht zu Hilfe, bleiben die schwimmenden Partikel in einer Ecke des Beckens. Oder, was noch schlimmer ist, die Partikel verkleben sich mit der Beckenwand und beginnen ihr mikrobiologisches Leben. So suchen auch heute noch italienische Firmen ihr Heil in der Maximierung der Skimmer-Breite.
All dies hat zur Erkenntnis geführt, dass die Überlaufrinne möglichst den gesamten Umfang eines Beckens besetzen sollte. In Deutschland findet sich diese Erkenntnis in der DIN 19643, in Österreich in der ÖNORM M 6216.
DIN 19643-1:2012-11, 9.2 Beckendurchströmung: „Als Ablauf dient eine allseitig angeordnete Überlaufrinne.“
Wie das Wasser „im genormten Betriebszustand“ das Becken verlassen soll, wissen wir nun – oder glauben es zumindest. Wer erinnert sich noch an den Beitrag zur Überlaufrinne in Heft 06/2015? Wer nicht, kann online bei aqua&pools nach der Überlaufrinne suchen.
Im Artikel hatten wir nachgewiesen, dass eine umlaufende Rinne nur Sinn macht, wenn der Volumenstrom groß genug für einen umlaufenden Überfall des Wassers ist.
Rinnen-Länge und Volumenstrom
… stehen aber in der Berechnung des Volumenstromes erst an letzter Stelle in einem Zusammenhang. Trotzdem müssen wir uns zuerst mit diesen Grundlagen beschäftigen.
Dieser Beitrag soll nicht die vielen Berechnungsmethoden aufzählen oder miteinander vergleichen, die von der DIN oder der ÖNORM M 6216 geboten werden. Das soll in einem späteren Beitrag behandelt werden. Frei nach „Feuerzangenbowle“ stellen wir uns aber trotzdem mal ganz dumm, und „Watt isn Schwimmbecken?“
Ein Schwimmbecken ist ein Loch (im Boden) mit einem Stück Blech (oder anderem Material) drumrum. Irgendwo komm das Wasser rein und an der Überlaufrinne kommts wieder raus. Ist doch janz einfach, oder?
So leicht wird es uns von den Autoren der DIN nicht gemacht. Es beginnt mit unterschiedlichen Kategorien und deren Eingrenzung, die uns bei der Namensbildung des Beckens helfen.
Danach bekommt jede Kategorie eine Formel verpasst,
welchen Volumenstrom denn die Pumpen nun fördern sollen.
Hinweise auf die Überlaufrinne – Fehlanzeige.
Hinweise auf die Drücke – Fehlanzeige.
Also machen wir jetzt mal ein mäßig kompliziertes Beispiel. Ein Becken mit den Ausmaßen von 50 x 25 Metern. Bewusst ist hier die Kategorie nicht benannt, könnte es doch ein Wettkampfbecken sein. Schade, nach DIN 19643 eine unbekannte Kategorie!
FINA-DSV-Differenz
Aber selbst, wenn man sich ein „Wettkampfbecken“ wünscht, kommt man in den Konflikt zwischen den Organisationen. Legt man die Regeln des Deutschen-Schwimm-Verbandes zu Grunde, dann muss das Becken im Bereich von Startblöcken tiefer als 1,80 sein. Für Becken, in denen Wettkämpfe der FINA durchgeführt werden, kann das Becken hingegen 1,30 bis 1,00 Meter flach sein. Beides verursacht nicht nur unterschiedliche Investitionen, beides zieht auch unterschiedliche Betriebskosten nach sich. Man kann also schon hier die ersten Kalkulationen starten. Die Ursache für die Forderung nach einer anderen Wassertiefe könnte an den in Deutschland geltenden Versicherungs-Richtlinien GUV liegen, die die Freizeitsportler vor Verletzungen schützen soll.
Wassertiefenverlauf
Ein rechteckiges Becken ist zugegeben eine extrem starke Vereinfachung der Aufgabe. Aber schon bei unterschiedlichen Wassertiefen wird es schwerer. Nehmen wir also an, das Beispiel-Becken hat einen Bereich mit 4,50 Meter Wassertiefe über 12,5 Meter Länge. Dann soll der Beckenboden bis auf 2,10 Meter ansteigen, damit auch im flachen Bereich Wasserball gespielt werden kann. Eine Recherche zu den zukünftigen Benutzungsarten ist also vor der Festlegung der Wassertiefe hilfreich.
Volumenstrom
Für dieses Becken werden uns also von der Filteranlage folgende Volumenströme zur Verfügung gestellt. DIN 19643-1:2012-11 Tabelle 3 — Nennbelastungen und Volumenströme sagt, egal ob Schwimmer- oder Springerbecken, der Aufbereitungs- Volumenstrom (unterer Wert) soll 0,222A/k sein.
Mit dieser Formel ist der Volumenstrom also 0,222 x 25m x 50m x k. Was ist k? Der Belastbarkeitsfaktor k der Verfahrenskombination ist die zulässige Anzahl von Badenden je m3 aufbereiteten Wassers. DIN 19643-2:2012-11, der Teil für Sand-Filter, sagt: Für die Berechnung des Volumenstroms nach DIN 19643-1:2012-11, Abschnitt 8 ist bei Anwendung dieser Verfahrenskombination ein Belastbarkeitsfaktor von höchstens k = 0,5m-3 einzusetzen.
Daher kommt wahrscheinlich der Ausdruck „Du halbe Portion!“. Je 1m³ Wasser kommt also eine halbe Person ins aufbereitete Wasser.
Der Beckenhydraulik stehen nach dieser Berechnung 555m³/h zur Verfügung. In der gleichen Tabelle wird in einer Spalte der Becken- Volumenstrom (unterer Wert) = 1,0 × La ausgewiesen.
Zitat DIN 19643-1:2012-11, 8.1 Allgemeines: “Für die Dimensionierung der Aufbereitungsanlage ist mindestens der hygienisch begründete Aufbereitungs-Volumenstrom anzusetzen. Ergibt sich für den hydraulisch begründeten Becken-Volumenstrom ein größerer Wert, so ist mindestens dieser als Aufbereitungs-Volumenstrom anzusetzen.”
Dies können wir ausschließen, 150m³/h aus dem Umfang sind eindeutig nicht größer als 555m³/h. Aber im Fazit kann gesagt werden, das Becken bekommt maximal 555m³/h und minimal 150m³/h.
Der kluge Betreiber weiß natürlich, dass sich jeder (eingesparte) Kubikmeter in den Betriebskosten niederschlägt. An welchen Schrauben lässt sich drehen? Ja, zuerst das kleine unscheinbare „k“ in der Formel!
DIN 19643-4:2012-11, also der Teil für Ultrafiltration, sagt: „Für die Berechnung des Aufbereitungs-Volumenstroms nach DIN 19643-1:2012-11, Abschnitt 8 ist ein Belastbarkeitsfaktor von höchstens k = 1,0 m-3 einzusetzen.“
Schon ist der Volumenstrom auf 277,5m³/h geschrumpft. Wenn wir die Berechnung über die nachgewiesenen Besucher machen, lässt sich auch an der Schraube drehen, genauso wie die Zielstellung eines Teillast-Betriebes innerhalb und außerhalb der Bade-Betriebszeit verfolgt werden kann. Der Becken-Volumenstrom von 150m³/h scheint also durchaus rechnerisch im Sinne der Betriebskosten darstellbar.
Der Planer, der sich auf diese Rechen-Spiele für die Wasseraufbereitungs-Anlage einlässt, hat sich damit vermutlich bereits folgender Regel unterworfen: DIN 19643-1:2012-11, 8.5 Von der Nennbelastung des Beckens ausgehende Berechnungen, 8.5.1 Allgemeines: “(…) Die Funktionsfähigkeit einer Anlage nach 8.5.2 muss durch eine Funktionsprüfung nach DGfdB R 65.04 nachgewiesen werden.” Dem Planer sollten die darin enthaltenen Kriterien und Methoden bekannt sein.
Die Fußangel
… ist wie so oft der Interessen-Konflikt. Wenn die Planung für Becken und Wasseraufbereitungsanlage getrennt beauftragt wurden, sollten die gelben Lampen für die Haftungs-Lücke schon mal blinken. Der Planer für die Wasseraufbereitungsanlage rechnet in einer frühen Phase den besonders niedrigen Volumenstrom aus, bei der die Hydraulik im Becken noch funktionieren muss (und der Betreiber glücklich zu sein scheint).
Dass sie es tut, liegt dann in der Luft, denn der Becken-Planer hat ja in der DIN gelesen, wie er die Einström-Öffnungen anordnen soll. Vielleicht hat er auch auf den Rat des Auftragnehmers der Becken (und dessen technisches Nebenangebot) gehört und die Anzahl der Einström-Öffnungen reduziert? Aber selbst eine Erhöhung der Anzahl kann falsch sein, so geschehen vor kurzem in Dänemark.
Risiken am Beispiel der Überlauf-Kante
Natürlich steht für den Becken-Planer NICHT in der DIN, dass er dem Statiker des Gebäudes besser sagen sollte, dass am Ende der Bauzeit die Last des Wassers die Fundamente oder Deckenplatten nicht verformen darf. Die Statik-DIN lässt eine Setzung und Flexibilität zu, der Wasserspiegel des Beckens aber nicht!
Vielleicht hat der Becken-Planer es ja auch an den Statiker weitergesagt, aber der Baugrund-Gutachter hat es nicht erfahren und akzeptiert die begrenzte, aber zu große Flexibilität des Untergrundes? Es gibt Fundamente, die verändern sich bei jeder Füllung und jeder Leerung des Beckens. Fragt Sabine und Armin aus der Messe-Ausgabe. Ok, wir sind abgewichen, zurück zum anderen Teil der Beckenhydraulik.
Grundlagen zu den Düsen
Die Düsen zur Einströmung im Becken sollen einen Wasserstrahl mit einer bestimmten Geschwindigkeit und Richtung erzeugen. Möglichst verlustfrei wird der Wasserstrom beschleunigt. Druck-Energie wird dabei in Geschwindigkeits-Energie umgewandelt. Die Geschwindigkeit ist notwendig, damit sich der Wasserstrahl über eine Entfernung hinweg ausbreiten kann.
Es besteht also ein Zusammenhang zwischen dem Druck vor der Düse, der Geschwindigkeit in der Düse und der Ausbreitung des Strahls im Wasser. Die Ausbreitung nennen wir üblicherweise „Wurfweite“ der Düse. Zusätzlich ist der Druck- oder auch Energieverlust in der Düse wichtig.
Ist die Verantwortung für die Wirkung der Düse dem Becken oder der Wasseraufbereitungs-Anlage zugeordnet? Wer stellt die Kennlinie der Düse bezüglich des Druckverlustes und der Wurfweite zur Verfügung?
Wurfweite der Düse
Wenn die Düse also den Zweck hat, den Wasserstrahl mit optimaler Länge zu generieren, dann muss man zuerst diese optimale Länge kennen. Sehen wir uns dazu wieder die DIN an.
Zitat DIN 19643-1:2012-11, 9.2 Becken-Durchströmung: “(…) Bei horizontaler Becken-Durchströmung müssen die Einström-Öffnungen an den jeweiligen Längsseiten des Beckens versetzt angeordnet werden.” Damit ist die notwendige Wurfweite jeder Düse gleich der Beckenbreite. In unserem Beispiel 25 Meter würde dies einem Druck von 0,5 bar entsprechen.
Foto 4: Horizontale Düse mit Uranin Gelb, aqua&pools
Zum Vergleich nun die Einström-Düsen am Beckenboden: Zitat DIN 19643-1:2012-11, 9.2 Becken-Durchströmung: “(…) Bei vertikaler Becken-Durchströmung muss die Anzahl und die Verteilung der Einström-Vorrichtungen so gewählt werden, dass für jeweils etwa 8m2 der Becken-Grundrissfläche, also etwa eine Kreisfläche mit einem Durchmesser von 3,2m oder ein Quadrat mit der Seitenlänge von 2,8m, eine Einström-Vorrichtung vorhanden ist. Bei bandförmiger Einströmung wird ein Bereich bis 1,6m zu jeder Seite abgedeckt.” Da „bandförmige Einströmung“ nicht definiert ist, konzentrieren wir uns erstmal auf den Wert 8m². Es entsteht also ein quadratisches Raster zwischen den Düsen mit 2,8m Abstand. Die Düsen haben mehrere Öffnungen, deshalb muss die Wurfweite des Wasser-Strahls einer dieser Öffnungen im ungünstigen Fall bis zur diagonal benachbarten Düse reichen. Das sind 3,96m. Das würde in unserem Beispiel etwa 0,2bar entsprechen.
Foto 5: Einström-Öffnungen am Beckenboden, aqua&pools
Nicht erschrecken, das Foto ist eine kleine Provokation. Auch diese Düse könnte 0,2 bar Vordruck aufweisen, hat aber trotzdem keine Wurfweite. Was ist passiert? Einfache Antwort: Es ist keine Düse, sondern eine Bodenöffnung.
Vektorisierung
Nun, der Konstrukteur für oberes Becken hat den Zweck einer Düse „vergessen“. Sie soll das Wasser in eine Richtung beschleunigen. Natürlich kann sich das Desinfektionsmittel auch auf andere Art verteilen, aber das ist besonders bei Innen-Becken nicht sicher.
Es ist also wichtig, dem Wasserstrahl eine Richtung zu geben. Wikipedia benutzt zur Beschreibung von “Düse” das Wort „röhrenförmig“. Anders gesagt, das Verhältnis von Länge zu Durchmesser der Düse sollte möglichst groß sein. Über Begriffe wie Diffusor und Konfusor und deren Formen müssen wir an dieser Stelle nicht tiefer diskutieren. Es gibt sie!
Zur Beruhigung, eine Boden-Düse kann auch so wirken:
Foto 6: Bodendüse mit Uranin Gelb, aqua&pools
Bemerkt? Die vorangegangenen Zahlen bilden 0,3 bar Unterschied zwischen vertikalem und horizontalem System. Dieser Unterschied muss sich auf die Auswahl der Pumpen und deren Antriebsleistung auswirken. Die besondere Konstruktion des Bauteiles „Düse“ kann diese Differenz erhöhen oder verringern.
Der Zusammenhang Volumenstrom und Druck der Umwälz-Pumpe
Wer sich an den Artikel zur Auslegung der Pumpen im Heft 04/2016 erinnert, kennt den Zusammenhang zwischen Volumenstrom und Druck der Pumpe. Wer nicht, kann online bei aqua&pools nach dem Artikel zu den Umwälzpumpen suchen.
Damals geschrieben: Was ist also zu tun, um diesen Wert (Druckverlust in der Rohrleitung) zu berechnen? Man sucht den Weg des Wassers zwischen Rohwasser-Speicher und Schwimmbecken, bei dem der maximale Widerstand zu erwarten ist. (…) Danach werden alle Komponenten und Rohrstücke auf diesem Weg erfasst und alle Widerstände summiert. Zum Schwimmbecken zählen auch die Düsen!
Skizze 1: Diagramm Pumpen und Rohrkennlinien, Artikel 04/2016
Rohrleitung und Düsen erzeugen also einen gemeinsamen Widerstand. Dieser Widerstand ist dynamisch abhängig von der Strömungsgeschwindigkeit und bildet die Rohrleitungs-Kennlinie des Systems. Die Pumpe arbeitet auf dem Schnittpunkt zwischen Rohrleitungs- und Pumpen-Kennlinie. Wenn die Düse durch ein Loch in der Beckenwand ersetzt wird, kann die Pumpe keinen Druck aufbauen, auch wenn sich das einige Becken-Hersteller wünschen würden. Zusätzlich besteht durch das Verlassen der Kennlinie die Gefahr der Zerstörung der Pumpe. Kein Gegendruck bedeutet zu hohe Volumenströme. Die resultierenden hohen Geschwindigkeiten des Wassers im Unterdruck-Gebiet der Pumpe kann Gasblasen generieren, die auf der Druckseite wieder implodieren, und dadurch das Pumpenrad beschädigen (Fachbegriff: Kavitation) wie diesen Schiffspropeller:
Foto 7: Kavitation am Schiffspropeller, Quelle: Wikipedia, CC BY-SA 2.5, Axda0002, Eric Axdal
Was hat das alles mit dem Tichelmann-System zu tun?
Angesichts des provokativen Titels müssen wir jetzt wieder die DIN deuten. Zitat DIN 19643-1:2012-11, 9.2 Becken-Durchströmung: “(…) Durch konstruktive Maßnahmen, die das hydraulische Zusammenwirken zwischen Zuleitungen und Einström-Öffnungen beachten, ist eine möglichst gleichmäßige Reinwasser-Verteilung sicherzustellen.”
Übersetzung: An jeder Düse soll der gleiche Volumenstrom austreten. Die konstruktiven Maßnahmen sollen das sichern. Welche Maßnahmen bitte? Hier kommt das Tichelmann-System ins Spiel. Wir adaptieren den Text aus dem ersten Absatz für unser Verständnis: Beim Tichelmann-System werden die Rohre von der Umwälzpumpe bis zu jeder Einström-Düse so geführt, dass die Summe der Druckverluste gleich ist. (…) Der Sinn dabei ist, dass an allen Düsen etwa der gleiche Druck vorhanden ist und sich damit gleiche Volumenströme (…) einstellen, auch wenn keine Regelventile verwendet werden.
Eine kurze Bemerkung zu den Regelventilen. Manche Logik lässt sich eben nicht umkehren. Wer versucht, ein horizontales System mit 8 manuellen Kugelhähnen zu justieren, der hat weder das Wort „Regelventil“ noch die Komplexität der Aufgabe verstanden. Ich kenne Wettkampfbecken mit horizontalem System, da hat der Hersteller die Ressourcen für 15 Kugelhähne DN50 und 4 Färbe-Versuche vergeudet, bevor der Unterschied zwischen “Probieren” und “Berechnen” deutlich genug wurde.
Aber wie sieht also ein solches Versorgungs-System aus? Wir starten mit dem vertikalen System, die folgende Skizze zeigt das Beispiel Becken von oben.
Das vertikale System
… wird in der DIN 19643 wie folgt beschrieben. Zur Sicherheit wiederholen wir:
DIN 19643-1:2012-11, 9.2 Becken-Durchströmung: „(…) Bei vertikaler Becken-Durchströmung muss die Anzahl und die Verteilung der Einström-Vorrichtungen so gewählt werden, dass für jeweils etwa 8m2 der Becken-Grundrissfläche, also etwa eine Kreisfläche mit einem Durchmesser von 3,2m oder ein Quadrat mit der Seitenlänge von 2,8m, eine Einström-Vorrichtung vorhanden ist.“ Wir starten erstmal mit den 2,8m-Abständen, das ist einfacher. Wir müssen 2 Düsen in diesem Abstand verbinden:
Skizze 2: Tichelmann-System mit 2 Düsen, aqua&pools
Wenn man das Raster 2,8m einhalten will, dann werden daraus in nächsten Schritt 4 Düsen. Das System der gleichen Rohrlängen und gleichen Druckverluste soll eingehalten werden, dann muss es jetzt absolut symmetrisch weiter gehen:
Skizze 3: Tichelmann-System mit 4 Düsen, aqua&pools
In diesem System geht es weiter mit 16 Düsen:
Skizze 4: Tichelmann-System mit 16 Düsen, aqua&pools
Die Symmetrie zwingt uns jetzt in 64 Düsen:
Skizze 5: Tichelmann-System mit 64 Düsen, aqua&pools
Ein Schritt geht natürlich noch. Die insgesamt eingesetzten 128 Düsen sind jetzt symmetrisch verteilt. Die beiden blauen Linien sind gleich lang, die Anzahl der T-Stücke ist gleich. Natürlich muss das Haupt-Rohr entsprechend verjüngt werden. Auch diese Reduzierungen müssen symmetrisch eingebaut werden. Aber das Ziel scheint erreicht.
Skizze 6: Tichelmann-System mit 128 Düsen, aqua&pools
In diesem System wird der Druckverlust maßgeblich von sieben T-Stücken erzeugt. Natürlich kann man den Druckverlust mit einer großzügigen Dimensionierung beeinflussen. Neben den erheblichen Kosten für viele Fittinge und die immensen Rohrlängen sollte man den Druckverlust in dieser Verteilung im Vergleich mit anderen Systemen berücksichtigen. Oft wird unterschlagen, dass die Druckverlust-Rechnung etwa 0,4bar mehr von den Umwälz-Pumpen fordert.
Das Tor in der DIN
Wenn man genauer hinsieht, dann erkennt man, dass der Rand-Abstand der äußeren Düsen zur Beckenwand nicht passt. Eine zusätzliche Reihe würde aber die ganze schöne Symmetrie zerstören. Rechnen wir also nochmal nach: Wasserfläche 1250m² / 8m² je Düse, das sind mindestens 156 Düsen. Wenn wir jetzt in Österreich wären, gäbe es den ersten Gesetzeskonflikt mit nur 128 Düsen. Dort sind die 8m² je Düse (im Schwimmerbecken) fixiert. Die DIN lässt uns eine Lücke, die für unser Beispiel die Rettung sein kann.
DIN 19643-1:2012-11, 9.2 Becken-Durchströmung: „(…) Bei vertikaler Becken-Durchströmung muss die Anzahl und die Verteilung der Einström-Vorrichtungen so gewählt werden, dass für (…) also etwa eine Kreisfläche mit einem Durchmesser von 3,2m (…) eine Einström-Vorrichtung vorhanden ist. (…) Nicht erfasste, zusammenhängende Flächen dürfen nicht größer als 4m² (…) sein.“ Es stellt sich also die Frage, wie groß ist die Lücke zwischen 4 Kreisen mit einem Durchmesser von 3,2m.
Skizze 7: Nicht erfasste, zusammenhängende Fläche, aqua&pools
Zum Nachrechnen: die blaue Lücke ist
In unserem Fall ist die nicht erfasste, zusammenhängende Fläche also maximal 2,197m² groß. Der Weg zum größeren Abstand ist also offen! Der Abstand der Düsen kann also Länge/16 oder Breite/8 auf 3,125m gleichmäßig gewählt werden. Die Regeln der DIN bleiben trotzdem erfüllt. Der notwendige Druck an den Düsen steigt nur um 0,01bar, nicht erwähnenswert.
Es gibt natürlich nicht viele Becken, bei denen diese symmetrische Verrohrung nicht möglich ist. Was soll man dort tun? Vom Tichelmann-System abweichen? Das geht, man kann sogar die gefürchtete Berechnung umgehen. Wer sich an den Artikel zur Auslegung der Pumpen im Heft 04/2016 erinnert, der weiß vielleicht noch, dass der Druckverlust in den Rohren immer von der Geschwindigkeit des Wassers abhängig ist. Die Umkehrung lautet:
Je niedriger die Geschwindigkeit des Wassers, je geringer ist der Druckverlust. Für geringe Geschwindigkeiten muss man demnach nur den Querschnitt erhöhen.
Anordnung der Düsen als Einström-Kanal
So wurde vermutlich der Einström-Kanal, der in fast jedem Becken aus Edelstahl zu finden ist, erfunden.
Skizze 8: Einström-Kanäle mit Tichelmann-Verteilung, aqua&pools
Diese und alle weiteren Skizzen sind auf den Abstand 2,80m gezeichnet. In unserem Beispiel mit 555m³/h fließen nur noch 69,375m³/h auf einem einzelnen Kanal. Ein üblicher Kanal-Querschnitt von 30x30cm führt zu einer anfänglichen Geschwindigkeit von 0,214m/s. Der Druckverlust im Einström-Kanal kann deshalb vernachlässigt werden.
Statt der 7 T-Stücke bei der Verrohrung der einzelnen Düsen basiert der Druckverlust bei der Anordnung in Einström-Kanälen plus Tichelmann-Anschluss auf nur 3 T-Stücken. In unserem Beispiel 3/7, also etwa 0,17bar.
Wo Licht ist, ist auch Schatten.
Nimmt man für den Einström-Kanal einen durchgehenden Querschnitt an, was in der Realität kaum ein Hersteller tun dürfte, dann wird das Wasser im Kanal nach jeder Düse langsamer. Stellt man den Zusammenhang zum Abstand der Düsen her, kennt man die Zeit, die das Wasser vom Kanal-Anfang zum Kanal-Ende braucht.
Tabelle 1: Berechnung der Zeiten für Desinfektionsmittel, aqua&pools
Zwischen dem Moment, an dem das Desinfektionsmittel an Düse Nummer 1 austritt, und dem Moment an dem das Desinfektionsmittel an Düse Nummer 16 ankommt, vergehen mehr als 11 Minuten. Ob dies ein Vor- oder ein Nachteil ist, werden wir später in diesem Artikel bewerten.
Vermutlich ist die Nutzung eines Einström-Kanal-Systems in einigen Projekten ein bautechnischer Nachteil. Der Raum für den Einström-Kanal wird immer durch einen erhöhten Raumbedarf des Beckens begleitet. Die statisch notwendigen Abmessungen der tragenden Platte verändern sich ungünstig. Allein, wenn für Fundamente tiefer geschachtet werden muss, ist dies in den Kosten zu berücksichtigen. Da der Einström-Kanal als Versorgung der Einström-Düsen von fast allen Herstellern von Edelstahlbecken genutzt wird, wollen wir an dieser Stelle auch den Vorteil nicht übersehen. Der Edelstahl-Einström-Kanal ist ein Teil der dünn-wandigen Abdichtung des Beckens. Damit entfallen die Anforderungen der „Weißen Wanne“ an den konstruktiven Beton. Ein solcher Kanal lässt sich übrigens öffnen und reinigen.
Die hydraulische Berechnung als Alternative
… setzt Düsen voraus, die einstellbar sind. Im horizontalen System ist das die übliche Praxis, für Bodendüsen noch relativ unbekannt. Mein damaliger italienischer Auftraggeber wollte sich dem Wettbewerb um ein großes Freibad in Reichenbach im Vogtland stellen, bei dem das vertikale System in der Ausschreibung verankert war. Der Architekt Herr Hofmann hatte, sehr clever, das Einström-System per Ausschreibung an das Becken gekoppelt. www.architekten-wh.de. Geeignete Düsen waren im Unternehmen nicht verfügbar, also musste ich damals neue Düsen „entwickeln“. Im ersten Schritt sieht das Ziel so aus:
Skizze 9: Verrohrung in Linie mit Tichelmann-Verteilung, aqua&pools
Führt man die Tabelle für die Wassergeschwindigkeit bis zur Berechnung des Druckes an jeder Düse weiter, so kann man den Querschnitt der Düsen-Öffnungen berechnen.
Die Düse nah an der Versorgung hat dann den kleinsten Querschnitt und die Düse am Ende der Linie hat den größten Querschnitt. Da sich die Verrohrung nach der Fertigstellung kaum ändern wird, wurden die Düsen nach Abschätzung der Wirtschaftlichkeit „maß-gefertigt“ statt die „Einstellbarkeit“ zu implementieren.
Foto 8: Reichenbach Sportbecken betonieren, aqua&pools
Wenn man Düsen berechnen und entsprechend fertigen kann, welchen Sinn macht dann der Anschluss des Reinwassers nach Tichelmann noch? Keinen! Man muss doch nur die Druckverluste von Fittingen und Rohrleitungen der Verteilung in die Berechnung der Düsen aufnehmen. Die weitere Reduzierung des Druckverlustes ist Grund genug für diese Rechen-Arbeit.
Die Verrohrung in Reichenbach wurde von der damaligen WTA Plauen GmbH realisiert. Auch wenn einige Mitarbeiter von WTA die Berechnung anfangs anzweifelten, das gleichmäßige Düsen-Bild auf den gesamten 50 Metern hat sie bereits vor dem (erfolgreichen) Färbe-Versuch überzeugt.
Foto 9: Reichenbach Düsenbild im Sportbecken, aqua&pools
Unsymmetrisch geht’s weiter
Mit der Berechnung der Düsen ist es also möglich, eine unsymmetrische Verteilung aufzubauen. Das sieht schematisch dann so aus:
Skizze 10: Berechnete Verrohrung in Linie, aqua&pools
Dem Praktiker wird sofort auffallen, dass die Abzweige mit 90 Grad gezeichnet sind. Natürlich entsteht durch die Berechnung die Möglichkeit, die hydraulisch günstigeren 45 Grad-Fittinge einzusetzen oder den Hauptanschluss nicht mittig zu platzieren. Da statt eines Kanals nun die Rohrleitungen in unserem Bespiel mit DA160 ausreichend dimensioniert sind, sinkt die Zeit zwischen der ersten und der letzten Düse auf unter 3 Minuten.
Freie Formen
Anders als mit einer umfangreichen Berechnung ist es wahrscheinlich auch nicht möglich, frei geformte Becken an jeder Düse mit gleichem Volumenstrom zu versorgen. Das Tichelmann-Systematik würde hier versagen. Aber wer baut schon immer Sportbecken?! Egal, wie viele Düsen an einem Strang versorgt werden sollen, die Berechnung kann alles berücksichtigen. Bleiben wir beim Beispiel Freibad Reichenbach. Dort stellt zum Beispiel das Erlebnis-Becken weit größere Herausforderungen.
Foto 10: Reichenbach, Ausblick von der Rutsche, aqua&pools
Die durchaus chaotische Verrohrung des Erlebnis-Beckens von der einzigen zugängigen Seite wurde auch hier mit den Einström-Düsen ausgeglichen.
Foto 11: Reichenbach Erlebnis-Becken, Verrohrung, aqua&pools
Das Düsen-Bild im verschmutzten Becken zeigt, dass die Berechnung auch bei frei geformten Becken (erfolgreich) möglich ist.
Foto 12: Reichenbach Erlebnis-Becken Düsen-Bild, aqua&pools
Von der Vertikalen in die Horizontale
Auch für die horizontale Durchströmung gibt die DIN 19643 Hinweise. DIN 19643-1:2012-11, 9.2 Becken-Durchströmung: „Bei horizontaler Becken-Durchströmung müssen die Einström-Öffnungen an den jeweiligen Längsseiten des Beckens versetzt angeordnet werden. Der Abstand zwischen den Einström-Öffnungen in der Becken-Wandung darf höchstens ein Drittel der Beckenbreite betragen. Die Einström-Öffnungen sollten etwa in der Mitte zwischen Wasseroberfläche und Beckenboden, bei Springerbecken in zwei Ebenen, angeordnet werden. Dabei sollte die untere Ebene etwa 50 cm über dem Beckenboden liegen. Um eine ausreichende Einmischung des Reinwassers in das Beckenwasser zu erreichen, muss an der Einström-Öffnung der Mindestdruck vorgehalten werden. Dieser errechnet sich aus der Beckenbreite nach Gleichung (11): p= 0,02b. Dabei ist p der Mindestdruck an der Einström-Öffnung, in bar, und b die Beckenbreite in m.“
Wenn man diesen Absatz wörtlich umsetzt, KANN die Becken-Hydraulik funktionieren, MUSS ABER NICHT. Deshalb sollte man spätestens nach diesem Hinweis einen erfahrenen Fach-Planer dazu holen. Es ist wie so oft im Leben, allein die Kenntnis der Regel sagt nichts über deren Anwendung.
Ein Votum für den Spezial-Planer
Machen wir uns nichts vor, wer die Fallgrube nicht kennt, hat keine Angst, den Weg zu benutzen. Gekoppelt mit der oben beschriebenen Verantwortungs-Lücke wird das, was ganz einfach aussieht, zu einem unberechenbaren Fiasko. Das Dumme daran ist, dass der Fehler erst mit einem Färbe-Versuch offenbar wird. Ein paar Beispiele von misslungenen horizontalen Färbe-Versuchen sind bei aqua&pools unter der bekannten Web-Adresse zu finden.
Wer jetzt glaubt, es folgt hier die Ergänzung oder Korrektur des DIN-Zitates, der irrt sich. Erstens würde das nur tiefer ins Chaos führen und zweitens könnte man danach glauben, den Spezial-Planer nicht zu benötigen.
Führen wir uns also vor Augen, dass die horizontale Durchströmung eines Beckens andere Dimensionen der Wurfweite erfordert. Waren es beim vertikalen System noch 0,2bar, dann sind die 25m Breite eines Wettkampf-Beckens für 0,5bar verantwortlich. Dabei ist das horizontale System wesentlich empfindlicher auf zu geringen Druck. Beim vertikalen System werden die Tot-Zonen nur etwas zeit-verzögert erfasst, wohingegen die horizontale Strömung EINER Düse viel größere Bereiche versorgt. Ist eine horizontale Düse falsch berechnet, gibt es keinen Ausgleich durch die anderen Düsen. Die folgende Skizze zeigt die gleichmäßige Versorgung der Düsen (mit DIN-Anordnung) mit dem Tichelmann-System. Natürlich wieder in der notwendigen, weil symmetrischen, Anzahl von je Seite acht Düsen.
Skizze 11: Horizontales System mit Tichelmann-Verteilung, aqua&pools
Das sind viele überflüssige Rohrleitungen. Selbstverständlich können wir jetzt auch den Zwischenschritt über eine überdimensionierte Verteilung machen, aber wir kommen besser sofort zur üblichen Verrohrungs-Art.
Skizze 12: Horizontales System mit berechneten Düsen, aqua&pools
Allzu oft ist schon die Berechnung der Düsen gegen den Einbau von Drossel-Armaturen ersetzt worden. Man kombiniere die Anzahl der Düsen mit den Kosten der Armaturen und kann dann die Sinnlosigkeit des Umbaus erahnen.
Vorteile, die sich durch die Berechnung ergeben können.
Natürlich ist die Möglichkeit, die Düsen berechnen zu können, die Voraussetzung dieses Systems der Verrohrung. Und wieder kann man diese Möglichkeit für weitere Eigenschaften ausnutzen. In der DIN ist geschrieben: „Die Einström-Öffnungen sollten (…) bei Springerbecken in zwei Ebenen angeordnet werden.“
Wie ist es mit Kombi-Becken mit unterschiedlichen Wassertiefen? Soll der Volumenstrom proportional zur Wasserfläche oder proportional zur Anzahl der Düsen aufgeteilt werden? Soll die untere Düsen-Reihe mehr Volumenstrom bekommen als die obere Düsen-Reihe? Man kann dies alles berechnen.
Wenn ein Wettkampfbecken temporär gebaut wird, dann wird vorwiegend das horizontale System eingesetzt. Bei 1,80m Wassertiefe mit ein oder zwei horizontalen Düsen-Reihen. Die äußeren Bahnen bleiben bei 25m Breite unbenutzt, damit gleiche Bedingungen für alle Schwimmer herrschen. Trotzdem beschweren sich Sportler auf den Bahnen 2 und 9 (zu Recht), von der starken Strömung der Düsen abgedrängt oder mindestens behindert worden zu sein. Mit einer Berechnung kann man die obere Düsen-Reihe reduzieren und den Hauptanteil des Volumenstromes über die untere Düsen-Reihe verteilen. Wenn ein Becken kritische Bereiche hat, kann man diesem Bereich einen höheren Volumenstrom “zurechnen”.
Zugegeben: bis hierher war es eine recht einseitige Betrachtung, denn frei geformte Becken haben zumindest auf den ersten Blick eine Tendenz zur Boden-Einströmung. Auf den zweiten Blick kann man aber sehen, dass die geschickte Ausnutzung der Attraktionen und die Verteilung von Wand-Düsen eine horizontale Einströmung ermöglichen. Dazu müssen wir aber zuerst den unterschiedlichen Aufbau der Düsen betrachten.
Sinnvolle Hydraulik an der einzelnen Düse
So unterschiedlich wie die Wurf-Weiten sind auch die Aufgaben der Düsen für den Wand- oder für den Boden-Einbau. Die Bodendüse soll den Volumenstrom möglichst effektiv in alle Richtungen verteilen. Entgegen der Bezeichnung “vertikale Einströmung” soll die Düse aber mit einem hohen horizontalen Anteil das Wasservolumen möglichst vollständig verwirbeln. Man könnte ja glauben, die Wasserströmung nach oben solle größer sein als die Fallgeschwindigkeit des Schmutzes. Dies zu erreichen ist fast unmöglich und erfordert einen sehr viel größeren Volumenstrom. So sollte die Wirkung einer Boden-Düse auf keinen Fall aussehen wie in dem provokanten Foto 5: Einström-Öffnungen am Beckenboden, aqua&pools:
Im nächsten Foto ist der horizontale Anteil größer und deshalb die gewünschte Wirkung gegeben.
Foto 13: Bodendüsen Färbe-Versuch Eriochrom schwarz, aqua&pools
Fast kann man sagen, im Foto ist EINE vertikale Düse, sondern es ist eine Gruppe aus kleinen horizontalen Düsen am Boden eingebaut.
Besonders wenn eine Wand-Düse im horizontalen “Strahlenturbulenz-System” eingesetzt werden soll, ist nicht die Verteilung, sondern die Bündelung des Strahles gewollt. Schließlich soll der Strahl die gegenüberliegende Wand erreichen können. Zusätzlich soll er aber auch den entgegenkommenden Strahl nicht stören und ablenken. Bei dieser Düse wird also neben der Berechnung des richtigen freien Querschnittes auch die Ausbildung des Strahles mittels Konfusor und Diffusor wichtig. Sogar die Konstruktion der Düsen-Abdeckung kann eine Bündelung oder eine Verwirbelung des Strahls verursachen und damit zum Erfolg beitragen.
Skizze 13: Düsen-Abdeckung Wand, aqua&pools
Für die Abdeckung gelten natürlich die Sicherheits-Bestimmungen aus der EN 13451. Trotzdem sollte der freie Querschnitt möglichst groß gehalten werden.
Schräg gedacht
Gleichzeitig kann man über die gesamte Konstruktion festlegen, in welchem Winkel, bezogen auf die Wand, der Strahl gebildet werden soll. Nicht immer ist es sinnvoll, senkrecht zu arbeiten. Es soll vorkommen, dass der Beckenboden schräg ist und der Strahl unbeabsichtigt in die tieferen Bereiche des Kombi-Beckens abgelenkt wird. Mit einfachen Mitteln kann man dagegenhalten.
Simulation
Wie überall in unserer Umgebung gibt es für all das Beschriebene eine App. Die App kann man sich kaufen, aber einschließlich der Ausbildung des Bedieners ist die App sicherlich teurer als das gesamte Becken. Ich kenne auch ein Unternehmen, was sich als Becken-Hersteller auf diesen Weg gemacht hat. Die Berechnung einer Düse war von 5 Jahren mit der Software möglich, die Berechnung von 2 sich gegenseitig beeinflussenden Düsen scheiterte an der Rechenleistung des Computers. An eine Simulation der Strömung eines komplexen Systems einschließlich Überlaufrinne ist vermutlich auch heute noch nicht zu denken.
Nun, es gibt für Alles Dienstleister, die ihre Kapazitäten auslasten müssen. Wer also lieber in Simulation statt Wissen und Erfahrung (seines Spezial-Planers) investieren möchte, der kann mich gern kontaktieren.
Aber warum das alles?
Weil am Ende der Erfolg geprüft wird! Sehen wir mal in das Merkblatt der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen, R 65.04-2011, 4.3 Wirksamkeit der Becken-Durchströmung: „Zur Bewertung sollen Transport- und Vermisch-Vorgänge durch Zugabe eines Farbstoffes zum Filtrat im Becken beobachtet und dokumentiert werden. (…) Die Einfärbung des gesamten Beckenwasser-Volumens muss visuell innerhalb von höchstens 15 Minuten erkennbar sein.“ Kurz gesagt, die Arbeit des Verantwortlichen wird am Ende kontrolliert. Das Merkblatt R 65.04 ist das hintere Ende der kausalen Kette, die den Planer des Beckens in die Pflicht bringt, seine Berechnung der Beckenhydraulik in einem Färbe-Versuch nachzuweisen.
Kausale Kette
Zuerst wollen wir natürlich die kausale Kette verlängern. Über dem Merkblatt steht die DIN 19643. Das Zitat DIN 19643-1:2012-11, 9.2 Becken-Durchströmung: “Für die Überprüfung der Wirksamkeit der Becken-Durchströmung wird auf die DGfdB R 65.04 verwiesen.” klingt irgendwie nach einer Empfehlung.
Aber wer auch nur ein wenig an der Schraube zur Reduzierung des Volumenstromes drehen möchte, der bekommt im Absatz 8.2.2 Mindest-Überlauf und Becken-Volumenstrom die volle Härte zu spüren: “Die Funktionsfähigkeit einer Anlage nach 8.5.2 muss durch eine Funktionsprüfung nach DGfdB R 65.04 nachgewiesen werden.” Das klingt schon ganz anders.
Auch das Umweltbundesamt hat sich in der Empfehlung Hygiene-Anforderungen an Bäder und deren Überwachung von 2013 festgelegt: „Nach der Inbetriebnahme wird nach einer angemessenen Frist eine Funktionsprüfung nach der Richtlinie 65.04 „Funktionsprüfung von Anlagen zur Aufbereitung von Schwimm- und Badebecken-Wasser nach DIN 19643: 1997 – 04“ empfohlen. Die Abnahme nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) ist kein Ersatz für diese Funktionsprüfung. Diese sollte nicht im Auftragsumfang der Firma liegen, die mit der Erstellung der Anlage beauftragt ist, sondern direkt durch Beauftragung des Bauherrn erfolgen (Bauherren-Aufgabe).”
Darüber steht mindestens das Infektions-Schutz-Gesetz. Den Absatz für das Wasser eines Schwimmbades müssen wir hier nicht wiederholen. Praktischer ist es, auf ein paar Details der DIN EN 15288-2, Schwimmbäder – Teil 2: Sicherheitstechnische Anforderungen an den Betrieb; Deutsche Fassung EN 15288-2:2008 einzugehen. Nehmen wir uns Anhang A (normativ) Färbe-Test — Betriebliche Vorschriften einmal vor.
Ungenauigkeiten und Präzisierungen
Stelle A.2 “Um Adsorption zu vermeiden, sind während der Prüfung Bauteile der Wasseraufbereitungsanlage zu überbrücken, die Filtermedien verwenden, die den Farbstoff beeinträchtigen können (zum Beispiel Aktivkohle, Hydro-Anthrazit). Die Anlage ist zu konfigurieren, um die abgesenkte Wassersäule abzugleichen.” Was bedeutet dies? Bauteile mit Aktivkohle sind in der Regel die Filter. Ein Kurzschluss über die geschlossenen Schnellfilter kann mit den Armaturen hergestellt werden, aber die Vorbereitung für Schaltung und Pumpen-Drosselung ist eben auch nicht kostenlos zu haben. Unter Umständen hat man ein Problem mit den Schwerkraft-Filtern, die diese Schaltung nicht von Hause aus enthalten müssen.
Stelle A.6 “Die fortschreitende Farbänderung ist zu überprüfen und durch Fotografieren oder Videoaufzeichnung aufzuzeichnen. Der Zeitablauf von der ersten Einbringung des pigmentierten Wassers in das Becken bis zum Erreichen einer gleichmäßigen Färbung ist zu messen.” Im Abschnitt zu den Einström-Kanälen waren wir auf diese Frage gestoßen. Hier kennzeichnet “von der ersten Einbringung” also die erste Düse als Start der Zeitnahme. Die Zeit bis zur letzten Düse des Kanals geht also verloren. Aber dieser Absatz hat es auch sonst in sich. “gleichmäßige Färbung” ist eine viel größere Forderung als nur “die Einfärbung des gesamten Beckenwasser-Volumens”.
Entfärbe-Versuch
Von einem Entfärbe-Versuch war in den anderen Dokumenten noch nicht die Rede, die DIN EN 15288-2 bringt ihn in unsere Diskussion ein. Ja, die österreichische ÖNORM M 6216 hat diesen “zweiten Teil” schon lange implementiert, er ist auch kein Hexenwerk. Statt der Farbe wird Chlor dosiert, welches die Farbe wieder auflöst. Der Entfärbe-Versuch ist trotzdem wesentlich anspruchsvoller als der Färbe-Versuch. Eine kleine klare Stelle am Beckenboden ist durch gefärbtes Wasser schwer zu erkennen. Aber eine Farbwolke an der gleichen Stelle ist durch klares Wasser sehr gut zu erkennen. Wo stehts? An Stelle A.9: “An derselben Stelle ist eine Chlor-Menge von etwa 5 mg/l Beckenwasser nach den gleichen Kriterien wie das Eriochrom schwarz T in das Wasser einzubringen.”
Hier wird es für Hallen-Bäder teuer! Die Dimensionierung der maximalen Dosier-Kapazität für Chlor ist vermutlich nach DIN 19643-1:2012-11 vorgenommen worden. In Punkt 11.2.1.3 Prüfung der Chlor-Dosierung ist beschrieben: “Nach vollständiger Durchmischung und mindestens 20s Fließzeit, zum Beispiel in einer Mess-Wasser-Leitung, muss die höchste Konzentration an freiem Chlor im Reinwasser betragen: a) bei Hallenbädern: 2mg/I; b) bei Freibädern: 10mg/I.” Das bedeutet, bei der Planung der Wasseraufbereitungs-Anlage soll für die einmalige Überprüfung entweder 2,5-fach überdimensioniert oder eine Zusatz-Anlage installiert werden.
Fehler-Kopplung
Darfs etwas mehr sein? Selbst wenn man alles einhält, kann man wie üblich in die Fallen tappen. In A.3 ist richtig geschrieben: “Der Chlor-Wert ist auf 0 zu senken, zum Beispiel durch Beigabe von Thiosulfat.” Nimmt der motivierte Mitarbeiter ZU VIEL Thiosulfat, dann ist das Chlor schnell auf 0,00mg/l gesenkt. Aber was wird mit dem überschüssigen Thiosulfat, welches sich weiterhin und dauerhaft im Wasser befindet? Man bekommt es im Entfärbe-Versuch zu spüren. Dann gilt das Gesetz des Stärkeren: Thiosulfat frisst Chlor, nicht Chlor frisst Farbe!
Reduzierter Volumenstrom
Anfangs hatten wir einen Eindruck von den Möglichkeiten der Reduzierung des Volumenstromes bekommen. Uns muss aber klar sein: wenn wir an einer dieser Schrauben drehen, was man im Sinne der Betriebskosten in jedem Fall tun sollte, dann ist man mindestens in den Zwang der R 65.04 gekommen. Nicht übersehen darf man, dass man den Färbe-Versuch mit dem REDUZIERTEN Volumenstrom erfüllen muss.
Zusammenfassung
Wir haben uns von den hydraulischen Systemen über deren Optimierung bis zu deren Überprüfung durchgekämpft. Alles ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne wirklich die Kosten dahinter zu schreiben. Das wollen wir dem Konzept des Planers überlassen, schließlich wird er dafür bezahlt. Als alles entscheidendes Kriterium ist der Färbe- und Entfärbe-Versuch identifiziert und die mögliche Pflicht zu seiner Durchführung dargestellt. Nun bleibt nur eine Frage: Wie kann das alles in die Planung meines zukünftigen Schwimmbades eingepasst werden?
Empfehlung
Am Anfang jeder Idee zum Neubau oder zur Sanierung eines Beckens steht eine Gemeinde oder ein Investor. Folgt die Gemeinde den Vergabe-Regeln, dann wird sie vermutlich einen Architekten-Wettbewerb ausschreiben. Hier kristallisiert sich meist heraus, welches Becken-System der Architekt bevorzugt. Leider spielen aber die Betriebskosten, die sich aus einzelnen gestalterischen Elementen ergeben, selten eine Rolle. Der Auftraggeber sollte also bereits jetzt sensibel die Betriebskosten hinterfragen.
Es ist sicherlich auch nicht schädlich, bereits im Wettbewerb einen Varianten-Vergleich mindestens der Becken-Bauart und der Becken-Hydraulik plus mit Invest- und Betriebs-Kosten-Schätzung einzuordnen.
Häufig werden Architekten durch den Wettbewerb animiert, statt der realen lieber “geschönte” Kosten zu übermitteln. Zwei Dinge können helfen: 1. Anzukündigen, dass die Kalkulation fachlich überprüft und in der Bewertung berücksichtigt wird, und 2. Die (faire) Überprüfung zur Inbetriebnahme bereits frühzeitig genau zu definieren.
Nehmen wir an, die oben beschriebenen Voraussetzungen sind geschaffen, was ist dann zu tun? Es müssen die folgenden Informationen diskutiert, gebündelt und vertraglich fixiert werden.
- Minimalen und maximalen Volumenstrom des Beckens,
- Genauigkeit der Überlaufkante des Beckens,
- Dimension, Anzahl und Position der Ablauf-Stutzen der Rinne,
- Hydraulisches System mit Anordnung der Düsen und Position sowie Dimension des Übergabepunktes,
- Erforderlicher Druck an der Schnittstelle zwischen Wasseraufbereitungsanlage und Becken-Hydraulik bei minimalem Volumenstrom,
- Volumenstrom des Färbe-Versuches,
- Grundlage und Durchführung des Färbe-Versuches und
- Flexibilität der Ergebnisse.
Zum Abschluss eine Erläuterung und ein Denkanstoß zum letzten Punkt der Liste. Wenn dem Spezial-Planer das volle Risiko aufgeladen wird, dann geht auch er kein Risiko ein. Die Flexibilität könnte aber auch so aussehen:
Man geht an allen Stellen auf das theoretische Minimum und legt das praktische Minimum erst nach der ersten praktischen Überprüfung fest. Erst dadurch macht der Färbe- und der Entfärbe-Versuch für mich einen Sinn!
Ausblick
Vom ersten bis zum aktuellen Artikel sind wir in der Reihe dem Weg des Wassers vom Becken über die Wasseraufbereitungs-Anlage gefolgt. Bereits auf diesem Weg mussten wir Themen aus der Bauweise des Beckens tangieren. Alle Themen sind eine Voraussetzung, um sich auch mit den möglichen Bauweisen eines Schwimmbeckens beschäftigen zu können. Dies soll auch das Thema des nächsten Artikels werden. Wer seine Erfahrungen einbringen möchte, der ist mit kleinen und großen Erfahrungsberichten gern eingeladen.
Vielen Dank für das Interesse! Ich freue mich über jede Rückmeldung.
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